Selbstversuch im Fitness Gaming

Zwift: Virtuell Rad fahren mit Freunden auf der ganzen Welt

Von Pit Weber

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Die Zwift-Demonstration in Koblenz | Foto: Leon van Bon

10.11.2016  |  (Ra) - André Greipel tut es, Edvald Boasson Hagen tut es, Laurens Ten Dam tut es und Mathew Hayman verdankt seinen Sieg bei der diesjährigen Edition von Paris-Roubaix nach eigener Aussage nur ihm. Viele andere Profis tun es anonym. Die Rede ist von Zwift. Einer weltweiten Online-Plattform für virtuelles Radfahren, die auch von Breitensportlern und Prominenten wie etwa Mark Zuckerberg genutzt wird.

Eric Min, ehemaliger Amateurfahrer und Mit-Gründer von Zwift, machte aus seinem Schicksal, von New York nach London ziehen zu müssen, eine Geschäftsidee. Seine intensive Arbeit in London erlaubte es ihm nicht mehr, zu Tageszeiten auf sein Rennrad zu steigen und viel schlimmer noch: er konnte nicht mehr mit seinen Freunden im Central Park fahren. Deshalb fragte er sich: Wie wäre es, wenn es möglich wäre, mit Freunden virtuell weltweit gemeinsam auszufahren, von jedem Ort zu jeder Zeit.

Obwohl Eric Min aus dem kompetitiven Sport kam, lag ihm der soziale Aspekt des Radfahrens viel mehr am Herzen. So schuf er mit seinem Geschäftspartner eine virtuelle Welt, in der Multi-Player-Gaming, Social Community und reales Rollentraining mit einander verknüpft werden. Fitness-Gaming sagen die einen, Social Cycling sagen die anderen. Mit welcher Motivation auch immer, über 75,6 Millionen Kilometer wurden bisher von Radsport-Enthusiasten  auf der Zwift-Plattform seit dem offiziellen Start im Oktober 2015 gefahren.

Radsport-news.com war bei bei der Zwift-Wahoo Tour of Deutschland dabei und hat sich einen Überblick verschafft.

Wir haben den Canyon Concept Showroom als Etappenort gewählt. Drei Wahoo Kickr-Trainer sind nebeneinander angeordnet und warten auf ihre beinharte Bearbeitung durch Neugierige. Denn eines ist klar: Während Zwift in UK, Australien und den USA einen sehr starken Zuspruch erfährt, ist es bei den meisten deutschsprachigen Radsportlern bei der Neugierde geblieben.

Zuerst sind Investitionen nötig

Wenn auch das Investment für das Zwift-Abonnement mit monatlich 10 Euro überschaubar ist, steht für die meisten Radsportler die Anschaffung einer elektronisch regulierbaren Trainingsrolle oder aber eben eines High-Class-Trainers wie dem Wahoo Kickr an. So beginnt die neue Form des Indoor-Trainings bei Einsteigermodellen um 350 Euro und endet bei 1.300,- Euro. Teurere Varianten beispielsweise mit Wattbikes sind ebenfalls möglich.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf besteige ich eines der eingespannten Canyon-Räder. Das Setup mit Bildschirm und Laptop und entsprechender Verkabelung ist vorbereitet. Die Zwift-Menuführung bringt mich einfach und schnell an den Straßenrand einer der drei grundsätzlich zur Verfügung stehenden Kurse. Neben dem Kurs der UCI Weltmeisterschaften 2015 in Richmond, stehen der Ride London-Kurs der Olympischen Spiele 2012 und die Traum-Radwelt Watopia zur Verfügung.

Letztere stellt den Kurs für den heutigen eher untypischen Wettkampf dar. 650 Höhenmeter bergauf bis zu der King of the Mountain-Wertung. 3,2,1, los... und schon treten unsere Avatare beherzt in die Pedalen. Gleichzeitig bewegen sich die zahlreichen Anzeigen auf dem Bildschirm: Herz- und Trittfrequenzen, aktuellen Watt-Werte sowie Watt pro Kilogramm-Daten. Hinzu kommt eine Übersicht der Fahrer im direktem Umkreis, sowie ein Zusatz-Fenster, das sich nur bei sogenannten Challenges öffnet und das die zu unterbietende Zeit vorheriger Fahrer sowie die eigene hochgerechnete Zielankunftszeit bei gleichbleibender Leistung ausweist.

Eine echte Challenge

Und das hier ist eine Challenge! Über 14% Steigung. Meine Nachbarfahrer treten über 500 Watt im Schnitt! Trotz aller Anstrengung nehme ich wahr, dass die Grafik informativ, plakativ und somit sehr übersichtlich ist. Es brennt, es tut weh. Dieser Umstand unterscheidet sich nicht vom herkömmlichen Training im neonbeleuchteten Keller. Aber mit jedem Tritt wird hier schnell deutlich, was den Unterschied ausmacht. Mein reales Umfeld verschwimmt um mich herum. Mein Fokus verlagert sich ganz und gar auf meinen rhythmischen Tritt und den Bildschirm.  Denn Radsportler aus den entlegensten Ländern der Welt begleiten mich. Teilweise kommunizieren sie sogar mit mir. Sie senden Textnachrichten (Voice-to Text-Messenging macht’s möglich), winken oder sie feuern mich über ihre synchronisierten Smartphones am Lenker an: "Ride On!", schallt es aus dem Lautsprecher.

Ich hänge mich an meinen virtuellen Vordermann und auf einmal spüre ich, dass der Widerstand meiner Rolle etwas nachlässt. Ich lutsche! Digital aber auch real. Auf der Ebene 30% in der Position unmittelbar am Hinterrad des Windschattengebers. Spätestens jetzt ist meine Begeisterung entflammt. Meine Aufmerksamkeit erst einmal entfacht, nehme ich viele weitere Details wahr, die die Liebe der Macher zum Radsport deutlich macht. Als die Wertungslinie der KOM-Challenge erreicht ist, wird die Bestenliste, als auch die persönliche Bestzeitliste eingeblendet.

Bei mir gibt es noch keine Referenzen, aber trotzdem bekomme ich als Belohnung ein Lightweight-Boost für 30 Sekunden geschenkt, den ich am nächsten Berg einlösen kann. Das ganze Training ist auf Belohnung und Positivität ausgelegt. In der heutigen Zeit ein schöner Ansatz. Für jeden gefahrenen Kilometer erhöht sich das Belohnungskonto, sei es durch kurzfristige Draft- oder Aero Boost-Boni oder durch originelle Trikot-Designs, die ich meinem Avatar überziehen kann.

Auch mein Fahrrad kann ich mit Kilometer-Bonifikationen grafisch tunen. Man muss sich zwar eingestehen, dass diese Details nicht wirklich notwendig sind, aber dass auch diese Spielerei zu einem rundum gelungenen Trainings-Spaß beiträgt.

Gruppenfahrten möglich

Die inkludierten Trainingsprogramme, manuelle und automatische FTP-Wert-Messungen, Möglichkeiten für Gruppenfahrten, dynamische Leaderboards mit entsprechenden Wertungstrikots etc. runden den durchaus überzeugenden Auftritt von Zwift ab. Für Strava-Addicts nicht ganz unwichtig: die auf Zwift gefahrenen Touren können automatisch synchronisiert werden und erhöhen dementsprechend die Gesamtfahrleistung. Zukünftig wird man auf Computer/Laptop und Bildschirm verzichten können. Die Komplett-Version für iPad und iPhone soll noch diesen Monat eingeführt werden.

Der Event im Canyon Concept Showroom war ein voller Erfolg. Zwischenzeitlich hatte man das Gefühl in der Kurve der Holländer auf dem Weg nach Alp d`Huez zu stehen. Anfeuerungen, Jubelschreie und überall begeisterte Gesichter. So kann Rollentraining durchaus Spaß machen.

 

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