"Weiß nicht, woher die Leute meinen Namen kannten"

Fahlin erfüllt sich nach drei Stunden Gänsehaut den Traum vom Heimsieg

Von Felix Mattis aus Vargarda

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Emilia Fahlin (Ale Cipollini) bejubelt ihren größten Erfolg: Heimsieg in Schweden! | Foto: Cor Vos

21.08.2016  |  (rsn) - Von einer Umarmung zur nächsten wanderte Emilia Fahlin (Alé Cipollini), bevor sie in Vargarda mit leuchtenden Augen zum Siegerinterview antrat. "Es war immer ein Traum, hier zu gewinnen und ich kann noch nicht wirklich glauben, was gerade passiert ist", sagte die 27-Jährige. Im Sprint einer neunköpfigen Spitzengruppe gewann Fahlin den 15. Lauf zur UCI Women's WorldTour rund 200 Kilometer südwestlich ihres Geburtsorts Örebro vor der Finnin Lotta Lepistö (Cervelo-Bigla) und der Niederländerin Chantal Blaak (Boels-Dolmans).

"Normalerweise bin ich eher eine Helferin und bekomme nicht oft eine solche Möglichkeit. Aber ich fühle mich dieses Jahr sehr gut und habe einen großen Schritt gemacht", so Fahlin, die vor zwei Wochen auch im Olympischen Straßenrennen von Rio gestartet war und dort 27. wurde. Zuvor hatte sie die Thüringen-Rundfahrt als Gesamtzwölfte beendet und dort bereits Form bewiesen. "Sie ist derzeit sehr, sehr gut drauf - in Top-Form", freute sich auch Sportdirektor Fortunato Lacquaniti nach dem Rennen im Gespräch mit radsport-news.com.

Trotzdem durfte der Erfolg der Schwedin beim Heimrennen als große Überraschung bezeichnet werden. Denn auch im Sprint der neunköpfigen Spitzengruppe war sie alles andere als die Favoritin. Blaak, Lepistö und auch die Viertplatzierte Amy Pieters (Wiggle-High5), die Fünfte Maria Giulia Confalonieri (Lensworld-Zannata) und die Sechste Hannah Barnes (Canyon-SRAM) gelten als endschneller - selbst wenn Fahlin in Thüringen mehrfach Endschnelligkeit bewies und bereits im Juni bei den Auensteiner Radsporttagen Lepistö im direkten Duell auf der 1. Etappe schlug.

Dass sie sich selbst den Sieg im Sprint nicht zutraute, zeigte auch Fahlins Fahrweise. Die Schwedin attackierte auf den letzten 45 Kilometern des Rennens, nachdem sich die neunköpfige Gruppe abgesetzt hatte, mehrfach, um ihre schnellen Begleiterinnen loszuwerden, kam aber nicht weg. "Ich wusste nicht so genau, was ich machen sollte", sagte sie noch vom Sieg und der Atmosphäre überwältigt. "Ich hatte das ganze Rennen Gänsehaut! Es haben so viele Leute meinen Namen gerufen und ich habe keine Ahnung, woher die ihn alle kannten."

Umso beeindruckender ihr Sprint, denn da wusste Fahlin ganz genau, was zu tun war: "Es ist ein sehr langer Power-Sprint hier und weil viele in der Gruppe sehr schnell waren, wusste ich, dass ein schwieriges Finale vor mir lag. Deshalb wollte ich in der letzten Kurve weit vorne sein", so die Schwedin über die Anfahrt der 300 Meter langen Zielgeraden. Als Zweite hinter Pieters kam sie ums Eck und sprintete dann aus dem Windschatten zum Sieg. "Ich habe den schwersten Gang eingelegt und einfach gehofft, dass meine Beine bis zur Linie reichen."

Das taten sie. Zwar kam Lepistö an Fahlins Seite zwischenzeitlich stark auf, doch am Ende hatte die Schwedin mehr Reserven. "Emilia konnte die Geschwindigkeit halten und ich wurde auf den letzten 300 Metern supermüde, so dass ich nicht mehr vorbei kam", sagte die Finnin, die sich nach erster Enttäuschung aber auch über Rang zwei freuen konnte.

"Ich bin super happy und emotional, weil ich hier schon 2008 oder 2009 am Start stand, bevor ich Profi wurde. Da wurde ich schon auf der ersten oder zweiten Runde abgehängt. Jetzt stehe ich auf dem Podium", so Lepistö. "Ich hoffe das motiviert auch junge finnische Fahrerinnen."

Vor dem Start war Lepistös Cervelo-Bigla-Team arg gebeutelt worden: Mit Ashleigh Moolman-Pasio und Joelle Numainville mussten zwei sehr wichtige Fahrerinnen kurzfristig kränkelnd ihren Start absagen, so dass die deutsche Mannschaft nur zu viert am Start stand.

Daraus machte die Truppe von Thomas Campana, die am Freitag bereits den zweiten Platz im Teamzeitfahren gefeiert hatte, das Beste. Zunächst startete die Schweizerin Nicole Hanselmann nach rund 25 Kilometern ein 40 Kilometer langes Solo und fuhr zwischenzeitlich zwei Minuten Vorsprung heraus. Als sie gestellt war, hagelte es vor allem durch das Orica-AIS-Duo Alexandra Manly und Loren Rowney zahlreiche weitere Attacken, von der aber keine von Erfolg gekrönt war.

Knapp 50 Kilometer vor dem Ziel wurde auf dem letzten von vier Schotter-Sektoren das Finale eingeläutet. Dort löste sich eine prominent besetzte Siebenergruppe um Trixi Worrack (Canyon-SRAM) und Olympiasiegerin Anna Van der Breggen (Rabo-Liv), die aber nur kurze Zeit an der Spitze blieb. Auf der flachen Anfahrt zur elf Kilometer langen Schlussrunde, die noch vier Mal zu absolvieren war, rollten von hinten rund 20 Frauen heran, und sofort starteten Fahlin und Barnes gemeinsam die nächste Attacke.

Lepistö, Blaak, Pieters, Confalonieri, Shara Gillow (Rabo-Liv), Julia Soek (Liv-Plantur) und Amanda Spratt (Orica-AIS) sprangen hinterher, so dass sich die letztlich erfolgreiche Neunergruppe bildete. Nach der ersten der vier Schlussrunden hatte die Gruppe 1:11 Minuten Vorsprung, und auch wenn auf der vorletzten Runde im Feld noch einmal das Tempo erhöht wurde und Van der Breggen im einen Kilometer langen Anstieg etwa zu Rundenmitte attackierte, so kam von hinten niemand mehr nach vorne.

Dort attackierte Fahlin mehrmals und auch Spratt, Soek und Gillow, die sich als einzige nicht an der Führungsarbeit beteiligte, versuchten vergeblich ihr Glück. Auf den letzten 500 Metern ging es darum, für die wichtige letzte Kurve eine gute Position zu beziehen, was Fahlin, Blaak und Lepistö an Pieters Hinterrad am besten gelang, während Barnes nicht mehr innen hineinpasste und außen um eine Verkehrsinsel herum musste, was sie aller Chancen beraubte, um den Sieg mitzukämpfen.

Pieters lancierte den Sprint aus der Kurve heraus, doch für die Niederländerin vom britischen Wiggle-Team war der Weg zu weit und so musste sie chancenlos zusehen, wie nacheinander Fahlin, Lepistö und Blaak an ihr vorbei zu den Plätzen eins bis drei sprinteten.

Weil Lizzie Armitstead (Boels-Dolmans) als 62. und Leah Kirchmann (Liv-Plantur) als 22. beide leer ausgingen, wurde die US-Amerikanerin Megan Guarnier (Boels-Dolmans) in Abwesenheit vorzeitig zur Gesamtsiegerin der UCI Women's WorldTour. Sie kann bei den beiden letzten Rennen am kommenden Wochenende in Plouay sowie am 11. September in Madrid im Rahmen der Schlussetappe der Vuelta a Espana nicht mehr eingeholt werden.

Ergebnis:
1. Emilia Fahlin (Alé Cipollini)
2. Lotta Lepistö (Cervelo-Bigla) s.t.
3. Chantal Blaak (Boels-Dolmans) s.t.
4. Amy Pieters (Wiggle-High5) s.t.
5. Maria Giulia Confalonieri (Lensworld-Zannara) s.t.
6. Hannah Barnes (Canyon-SRAM) s.t.
7. Amanda Spratt (Orica-AIS) s.t.
8. Julia Soek (Liv-Plantur) s.t.
9. Shara Gillow (Rabo-Liv) s.t.
10. Roxane Knetemann (Rabo-Liv) + 0:13

Gesamtstand UCI Women's WorldTour:
1. Megan Guarnier (Boels-Dolmans) 886 Punkte
2. Leah Kirchmann (Liv-Plantur) 554
3. Lizzie Armitstead (Boels-Dolmans) 545
4. Evelyn Stevens (Boels-Dolmans) 519
5. Elisa Longo Borghini (Wiggle-High5) 493

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