Armirail holt sich das Rosa Trikot

Fluchtgruppenkönig Denz macht’s beim Giro noch einmal

Von Kevin Kempf

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Nico Denz (Bora - hansgrohe) | Foto: Cor Vos

20.05.2023  |  (rsn) – Nico Denz (Bora- hansgrohe) ist nicht zu stoppen! Auf der 14. Etappe des Giro d’Italia von Sierre nach Cassano Magnago feierte er seinen zweiten Tagessieg als Ausreißer. In einem atemberaubenden Finale holte er mit vier Begleitern auf dem letzten der 194 Kilometer eine dreiköpfige Spitzengruppe ein. Den folgenden Sprint gewann er knapp vor Derek Gee (Israel – Premier Tech). Der Kanadier wurde zum dritten Mal Zweiter, hätte aber fast noch vom verfrühten Jubel des Deutschen profitiert.

Dritter wurde Alberto Bettiol (EF Education – EasyPost) vor Laurenz Rex (Intermarché – Circus – Wanty) und Davide Ballerini (Soudal – Quick-Step). Marius Mayrhofer (DSM) verließen im Sprint der Spitzengruppe die Kräfte – er kam als Siebter ins Ziel. Überraschenderweise wechselte das Rosa Trikot den Besitzer. Das Feld verlor mehr als 21 Minuten auf die Spitze. So gab Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) die Gesamtführung an Ausreißer Bruno Armirail (Groupama – FDJ) ab. Ansonsten tat sich in der Spitze des Klassements nichts.

Bis zum letzten Kilometer sah es aus, als würde eine Dreiergruppe den Sieg unter sich ausmachen, doch dann fuhr Denz die Lücke auf dem letzten Kilometer zu. "Ich wollte entweder um den Sieg fahren oder mit wehenden Fahnen untergehen. Wenn man schon einen Sieg in der Tasche hat, dann will man nicht Vierter werden“, blickte er im Siegerinterview zurück. Bei widrigen Witterungsverhältnissen mit Kälte und viel Regen ging er aber alles andere als unter.

Als der Sprint eröffnet wurde, hatte er im Gegensatz zu seinem Landsmann Mayrhofer noch Kraft. “Ich ging direkt an Bettiols Hinterrad und gab alles bis zur Linie“, beschrieb er das Finale knapp. Dabei vergaß er zu erwähnen, dass er mit einem frühen Jubel zumindest die Zuschauer erschreckt hatte. “Es hat gereicht. Ich versteh gar nicht, was hier abgeht gerade, aber so kanns gerne noch eine Woche weitergehen", meinte er, bevor er sich im ansonsten englischsprachigen Gespräch auf Deutsch vom Interviewer noch lachend zu einem “Aller guten Dinge sind drei“ hinreißen ließ.

Gee hatte auf dem Zielstrich eine halbe Vorderradlänge Rückstand – und bekam vom jubelnden Deutschen noch versehentlich die Faust ins Gesicht geschlagen. Die Entdeckung dieses Giro wurde bei seiner ersten Grand Tour schon drei Mal Tageszweiter. Er hatte Hilfe von seinem Teamkollegen Simon Clarke, der ebenfalls vorn dabei war. “Er wohnt in dieser Gegend und seine Erfahrung ist unglaublich viel wert. Es fehlt ganz wenig auf den Sieg, aber mit der Leistung in diesem Giro bin ich sehr zufrieden“, resümierte er.

Wie gestern mit Thibaut Pinot reichte es für Groupama – FDJ nicht zum Tagessieg. Im Gegensatz zum Vortag war der Trostpreis aber ein großer Trost für Armirail. “Ich wollte eigentlich die Etappe gewinnen und hatte nicht eine Sekunde an Rosa gedacht. Natürlich haben wir darüber gescherzt. Es ist unglaublich. Ich wäre enttäuscht gewesen, hätte es nicht mehr geklappt als der Vorsprung bei 15 Minuten war“, so der Franzose. “Es ist ein Traum, der für mich in Erfüllung geht", freute er sich. Er liegt nun 1:41 Minuten vor Thomas.

Drei Deutsche waren in der Gruppe des Tages vertreten. Neben Denz und Mayrhofer hatte Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) den Sprung geschafft. Er musste sich für seinen Teamkollegen Andreas Pasqualon, der Neunter wurde, aufopfern, um ein Spitzenquartett zurückzuholen. Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) verbrachte im Feld einen ruhigen Tag. Er verlor im Klassement eine Position an Armirail und ist nun Siebter.

Ausreißer Davide Bais (Eolo – Kometa) sicherte sich am Simplonpass (1.Kat.) die Maximalpunktzahl und somit die erneute Führung in der Bergwertung. Bester Nachwuchsfahrer ist weiterhin Joao Almeida (UAE Team Emirates), das Punktetrikot bleibt bei Jonathan Milan (Bahrain Victorious).

So lief die 14. Etappe des Giro d’Italia:

Auf einer Etappe, die auf dem Papier etwas für die Sprinter sein sollte, wurde schnell klar, dass die Männer mit den schnellen Beinen im Finale nicht zum Zuge kommen würde. 29 Fahrer setzten sich aus dem Feld ab, fürs Klassement gefährliche Profis waren nicht dabei, im Gegensatz zu Fernando Gaviria (Movistar), der die Situation gut eingeschätzt hatte und mit zwei Helfern vorn war. Neben dem Kolumbianer hatte auch Mayrhofer – allerdings ohne DSM-Helfer – den Sprung geschafft. Mit Ballerini , Pasqualon und Oldani waren drei schnelle Italiener ebenfalls Teil der Ausreißer. Denz und Sütterlin komplettierten das deutsche Trio unter den 27.

Am Einstieg in den Simplonpass nach 35 Kilometern lag die Spitzengruppe sechs Minuten vor dem Peloton, wo Ineos Grenadiers ein ruhiges Tempo anschlug. Auch die Ausreißer hatten keine Eile, die starken Kletterer ließen Movistar die Schlagzahl bestimmen – und die wollten Gaviria am einzigen Berg des Tages nicht wehtun. Armirail probierte an der Kuppe Bais die 40 Punkte abzunehmen, um so Pinot im Bergtrikot zu halten. Doch der Franzose griff viel zu früh an und chauffierte den Italiener die letzten 600 Meter zum Wertungsstrich. Als Bais 200 Meter vor dem Bergpreis antrat, ließ sich der Groupama-Profi auch noch überraschen und kam so nicht weiter als Platz zwei.

Aus den acht Minuten Vorsprung an der Spitze wurden 100 Kilometer vor dem Ziel derer elf. Mayrhofer sicherte sich den Zwischensprint zehn Kilometer später, Gee wurde Dritter und schob sich so in der Punktewertung näher an den Zweitplatzierten Pascal Ackermann (UAE Team Emirates) heran. Mit noch 62 zu fahrenden Kilometern eröffnete Alberto Bettiol (EF Education – EasyPost) das Finale früh. Sein Solovorstoß wurde nach weniger Kilometer zunichtegemacht, anschließend lösten sich aber Laurenz Rex (Intermarché – Circus – Wanty), Oldani und Ballerini. Toms Skujins (Trek – Segafredo) schaffte 50 Kilometer vor dem Ziel noch den Sprint zum Trio.

Dieses Quartett baute seinen Vorsprung auf 40 Sekunden aus, in der Verfolgung setzte vor allem Movistar seine beiden Helfer ein, die später Unterstützung von Sütterlin, Stephen Williams (Israel – Premier Tech) und Mattia Bais (Eolo – Kometa) bekamen. Das Feld fiel derweil auf 15 Minuten zurück, sodass Armirail sich dem Rosa Trikot annäherte.

Der Abstand beider Gruppen betrug 50 Sekunden, als 16 Kilometer vor dem Ziel Derek Gee (Israel – Premier Tech) an einem der kleinen Hügel angriff. Zunächst teilte er die Verfolger, später setzte er sich mit Mayrhofer ab. Die beiden bekamen Gesellschaft von Denz und Bettiol, während Rex an einem weiteren Anstieg 11 Kilometer vor dem Ziel bei den Spitzenreitern nicht mehr folgen konnte. Der Belgier wurde vom Verfolgerquartett mit noch acht zu fahrenden Kilometern aufgesammelt.

Zu fünft kamen sie den Spitzenreitern immer näher, doch im letzten Kilometer schien der Rückstand zu groß. Oldani griff allerdings früh an und als er von Skujins gestellt wurde, guckte das Trio sich an. So konnte Denz auf der leicht ansteigenden Zielgerade das Quintett doch nach vorn bringen.

Bettiol setzte früh zum Sprint an. Der Italiener wurde aber vom Bora-Profi gekontert. Der Weg war noch immer weit, doch Bettiol schliefen hinter dem Deutschen die Beine ein, im Gegensatz zu Gee, der auf den letzten Metern noch mal aufkam und durch den frühen Jubler Denz sogar gewonnen zu haben schien. Doch der Kanadier wurde zum dritten Mal in diesem Giro Etappenzweiter. Mayrhofer hatten die Kräfte verlassen, er konnte sich nicht mehr am Spurt beteiligen.

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