Heikos Tour

Discovery Channel ist noch nicht satt

Von Heiko Salzwedel

21.07.2005  |  Die längste Etappe endete mit dem längsten Schlussspurt. Es war ein regelrechter Ausdauersprint, der vom Giro-Sieger Paolo Savoldelli gegen den Norweger Kurt-Arsle Arvesen souverän gewonnen wurde. Savoldelli war am gestrigen Tag der stärkste und auch einer der aktivsten Fahrer der 17 köpfigen Fluchtgruppe.

Den Verlust der Führung in der Teamwertung hätte T-Mobile vermeiden können. Für mich hat die Mannschaftswertung nach wie vor einem hohen Stellenwert. Man sollte sie nicht einfach verschenken. Die Gründe für das lange Zeit passive Verhalten von T-Mobile mögen zunächst nachvollziehbar sein: Andreas Klöden musste nach 17 Kilometern aufgeben, Matthias Kessler ging geschwächt in die Etappe. Da wollte die Teamleitung wohl Vorsicht walten lassen. Außerdem war man nur mit Oscar Sevilla in der Fluchtgruppe vertreten – eigentlich der falsche Mann für eine solche Aufgabe. Ich hätte mir Stefan Schreck oder Daniele Nardello bei den Ausreißern gewünscht, nicht aber den Kletterer Sevilla. Wenig geschickt verhielt sich übrigens auch Team Gerolsteiner. Hans Michael Holczer gab auch zu, dass die Mannschaft nicht aufgepasst hatte, als die entscheidende Gruppe ging.

Es macht mich traurig, dass die Mannschaftswertung bei der taktischen Ausrichtung von T-Mobile offensichtlich nur von zweitrangiger Bedeutung war. Rund 15 Kilometer vor dem Ziel fuhr T-Mobile zur Überraschung aller dann doch. Ich weiß nicht, woher dieser Sinneswandel kam. Um doch noch Zeit auf Discovery gutzumachen, war es zu spät, um Jan Ullrich in den letzten Anstieg zu fahren zu früh. Zudem war dieser Berg der 3. Kategorie kaum geeignet, um Ullrichs Konkurrenten um Rang drei, Mickael Rasmussen, abzuhängen. Trotzdem hat natürlich auch diese Aktion Kraft gekostet. Hoffentlich fehlen die gestern vergeudeten Körner nicht bei den Etappen im Zentralmassiv. Da nämlich wartet noch eine schwere Aufgabe auf das Team.

Discovery Channel hat dagegen noch mehr Appetit auf Siege. Das Team verfolgt damit weiter mit bewundernswerter Konsequenz seine Strategie der Erfolgsmaximierung. Dabei ging man auch gestern wieder gezielt vor. So werden die restlichen Etappen zu einer einzigen Triumphfahrt für Lance Armstrong und seine Helfer.

Die Sprinterteams hatten heute keine wirklichen Ambitionen. Dazu war die Etappe zu lang und die Ausreißergruppe zu groß und zu entschlossen. Schade nur, dass sich Stuart O’Grady und Thor Hushovd zusammen mit ihren Teams darauf zu beschränken scheinen, ihren Vorsprung gegenüber Robbie McEwen zu verteidigen und ein negatives Rennen fahren. Sie tun alles, um es nicht zum Sprint gegen McEwen kommen zu lassen, weil sie wissen, dass sie keine Chance gegen ihn haben würden.

Trotzdem war auch die heutige, extrem lange Etappe wieder hart genug. Es gibt keine Rolleretappen mehr wie früher, auf denen faktisches Angriffsverbot bestand. Jede Etappe wird schnell gefahren und es gibt ständig Ausreißversuche. Auch das ist Ausdruck der Polarisation bei der Tour de France, von der ich in meiner letzten Kolumne sprach.

Zu den zahlreichen Fahrern, die sich den Verlauf der Tour anders vorgestellt hätten, gehört auch Michael Rogers. Den Grund für seine Schwäche nannte mir der Australier in einem Gespräch. Er sei schon während der Tour de Suisse krank geworden, habe aber trotzdem weiter trainiert und sich dann in den Keller gefahren. Deshalb also hat man von Rogers nicht viel gesehen bei dieser Tour. Sein 38. Platz in der Gesamtwertung ist nicht weiter der Rede wert. Der T-Mobile-Neuzugang freut sich aber schon auf sein neues Team, wo er die Lücke füllen wird, die der Weggang von Alexander Winokurow hinterlässt.

Zur Person

Heiko Salzwedel ist einer der erfolgreichsten deutschen Radsporttrainer. Er führte im Jahr 1989 als Nationaltrainer der DDR-Bahnradfahrer den Vierer zu WM-Gold. Nach der Auflösung der DDR wurde er australischer Nationaltrainer und betreute Fahrer wie Robbie McEwen, Henk Vogels, Mathew White, Patrick Jonker und Kathy Watt. In seiner Profi-Mannschaft ZVVZ-GIANT-A.I.S. begannen Sportler wie Jens Voigt, Tomas Konecny, Jan Hruska, Nick Gates oder die beiden älteren Brüder von Michael Rogers (Deane und Peter) ihre erfolgreiche internationale Karriere.

Weitere Stationen des 48 jährigen Globetrotters aus dem thüringischen Schmalkalden waren das Amt des Leistungssportreferent beim Bund Deutscher Radfahrer, Teammanager im Britischen Radsportverband sowie Chef-Trainer der deutschen Frauen-Profimannschaft Equipe Nürnberger. Derzeit ist Salzwedel für die Nachwuchsförderung bei T-Mobile zuständig und Nationaltrainer der dänischen Bahn-Radsportler.

Heiko Salzwedel im Internet: http://www.sl-sports.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.08.2005Holczer: "Jan Ullrich bleibt der Top-Favorit"

(sid) - Nach dem Doppelsieg seiner Schützlinge auf der Königsetappe der Deutschland-Tour ist Gerolsteiner-Teamchef Michael Holczer euphorisiert. Dennoch bleibt für ihn T-Mobile-Profi Ja

25.07.2005Tour de Lance – der Champion tritt ab!

Der letzte Auftritt Lance Armstrongs auf der Bühne der Tour de France war zugleich sein beeindruckendster. Ich habe an anderer Stelle schon geschrieben, dass ich Lance noch nie so stark und überlege

24.07.2005Rabobank blamiert sich

So etwas habe ich noch nie gesehen: Der Drittplatzierte der Gesamtwertung im wichtigsten Radrennen der Saison wird von seinem Team im Stich gelassen. Was Mickael Rasmussen, dem tapferen Dänen, am Sam

22.07.2005T-Mobile schlägt zurück!

Die gestrige Etappe war ein Krimi vom Anfang bis zum Ende. Schon bevor sich die zehnköpfige Spitzengruppe schließlich bilden konnte, hatten zahlreiche Profis versucht, sich aus dem Hauptfeld abzuset

20.07.2005Evans packt bei Abfahrten der Horror

Erneut trübte eine schreckliche Tragödie die Vorfreude auf eine Tour-Etappe. War es vor zwei Wochen der Terroranschlag in London, so ist es diesmal die Nachricht vom tödlichen Trainingsunfall in T

18.07.2005Doppelte Dramatik und ein souveräner Herrscher

Die Dramatik der gestrigen Etappe resultierte aus der Konstellation. Vorne wurde um den Tagessieg gefightet, in der Verfolgergruppe um den Gesamtsieg. Und die Gruppe mit den Sprintern fuhr ihr eigenes

17.07.2005Totschnig siegt mit Ansage

In der Woche noch wäre Georg Totschnig am liebsten aus der Tour ausgestiegen, weil nichts lief. Nur den aufmunternden Worten seiner Familie und seines Teamchefs Hans Michael Holczer war es zu verdank

16.07.2005Davitamon opfert sich für McEwen auf

Ich hatte für gestern zwar einen Sieg von Robbie McEwen erwartet, aber nachdem ich am Start der Etappe noch mit ihm gesprochen hatte, war meine Zuversicht etwas ins Wanken geraten. Robbie schien ein

15.07.2005Wer attackiert Armstrong?

Zunächst: Ehre, wem Ehre gebührt. Die Franzosen feuerten gestern pünktlich zum Nationalfeiertag ihren ersten Etappensieg bei dieser Tour. Drei französische Teams hatten Fahrer in der Ausreißergru

14.07.2005T-Mobile gibt nicht auf!

Aufatmen bei T-Mobile: Das Team lässt sich nicht unterkriegen. Winokurows Gipfelsturm gestern war ein ganz besonderes Husarenstück. Auch im Sprint hat Wino seine Form bestätigt und Botero keine Ch

13.07.2005Same procedure as every year

Die gestrige Etappe hat bei mir vor allem Ernüchterung hinterlassen. Lance Armstrong hat wieder einmal bewiesen, dass er der stärkste Fahrer im Feld ist. Er ist ein Rennfahrer wie von einem anderen

11.07.2005Voigts Gelbes überstrahlt Ullrichs Malheur

Niemand hat das Gelbe Trikot so verdient wie Jens Voigt. Der Berliner ist das Musterbeispiel eines Radprofis und gibt in jedem Rennen alles. Seine Arbeitsauffassung ist vorbildlich. Wie er auch heute

Weitere Jedermann-Nachrichten

18.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die

18.05.20245.300 Höhenmeter: Königsetappe über den Mortirolo

(rsn / ProCycling) – Die 15. ist nicht nur die längste Etappe dieses 107. Giro d´Italia, sondern führt über gleich fünf Berge, von denen die letzten drei der 1. Kategorie angehören. Insgesamt

18.05.2024Hellas: Schiffer stürmt mit Dorns Hilfe ins Bergtrikot

(rsn) - Während der Österreicher Riccardo Zoidl (Felt - Felbermayr) auf der 4. Etappe der Tour of Hellas (2.1) seine Gesamtführung verteidigte und mit 46 Sekunden Vorsprung auf seinen Landsmann un

18.05.2024Martinez: “Der beste Teil des Giro liegt noch vor uns“

(rsn) – Das zweite Einzelzeitfahren des Giro d´Italia fand in der Nähe des Gardasees statt und endete mit dem überzeugenden Sieg von Filippo Ganna (Ineos Grenadiers). Der Stundenweltrekordler set

18.05.2024Pogacar ist sich sicher: Entscheidung erst am Monte Grappa

(rsn) – Nach den ersten beiden Dritteln des Giro d´Italia ist in der Regel noch nichts in Stein gemeißelt. Die extrem schweren Bergprüfungen in den Alpen warten in der Schlusswoche und so hat si

18.05.2024Leidert verpasst Ausreißercoup beim Orlen Nations GP

(rsn) - Louis Leidert (Deutsche U23-Nationalmannschaft) hat auf der 4. Etappe des Orlen Nation GP (2.NC) einen Ausreißercoup verpasst. Der 19-Jährige gehörte zur achtköpfigen Gruppe des Tages, di

18.05.2024Ganna kommen am Tag der Glorie die Tränen

(rsn) - Ein Schrei der Erleichterung breitete sich auf der Uferpromenade am Gardasee in Desenzano aus. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) war gerade ins Ziel gekommen. Doch der Mann in Rosa hatte die b

18.05.2024Highlight-Video der 14. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) hat das zweite Einzelzeitfahren des 107. Giro d’Italia für sich entschieden. Der 27-jährige Italiener setzte sich auf der 14. Etappe über 31,2 Kilometer

18.05.2024Bennett krönt in Cassell perfektes Decathlon-Teamwork

(rsn) – Sam Bennett (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat seinen Erfolgslauf bei den 4 Tagen von Dünkirchen (2.Pro) eindrucksvoll fortgesetzt. Der 33-jährige Ire entschied auch die schwere 5. Etapp

18.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 14. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

18.05.2024Ganna im zweiten Giro-Zeitfahrduell schneller als Pogacar

(rsn) – Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) hat beim 107. Giro d’Italia das zweite Zeitfahrduell gegen Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für sich entschieden. Nach 31,2 meist flachen Kilometern von

18.05.2024Van Aert: “Es war nicht einfach, auf der Bank zu sitzen“

(rsn) – Ein schwerer Sturz bei Dwars door Vlaanderen mit Frakturen am Schlüsselbein, am Brustbein sowie an den Rippen bedeutete nicht nur das Aus für  die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix, so

JEDERMANN-RENNEN DIESE WOCHE
  • Keine Termine